Im Namen der Natur
Wildbienenprojekt des Golfclubs Memmingen Gut Westerhart wird von Fernsehteam begleitet
Westerhart. Wenn der Mann mit dem rötlichen Bart mit seinem weißen Netzkescher durch das Gras des Golfplatzes Memmingen Gut Westerhart streift, sieht er aus wie ein kleiner Junge, der Heuschrecken fangen möchte. Doch Stefan Hopfenmüller ist Biologe und Wildbienenspezialist an der Ulmer Universität. Im Rahmen des Projektes „Golf & Natur“, das vor 15 Jahren vom Deutschen Golfverband ins Leben gerufen wurde, fängt er wilde Bienen, bestimmt und katalogisiert sie. „Einige seltene Arten habe ich bereits entdeckt, aber ich bin mit meiner Arbeit auf dem Golfplatz Memmingen noch lange nicht fertig“, sagt der Experte. Gleiches gilt für das Kamerateam des Bayerischen Rundfunks (BR3), das, angelockt durch Hopfenmüllers Arbeit, sich ebenfalls für das „Gewumsel“ auf dem Golfplatz interessiert.
Jüngst war es mit von der Partie, als Dr. Hans-Martin Steiger, Vorsitzender des Memminger Imkervereins mit seinem Imkerfreund, Fritz Aldinger, zwei Bienenkästen auf einer Streuobstwiese des Golfclubs aufstellten. Die Neuansiedlung war notwendig geworden, da dreiste Diebe vor Monaten eines von mehreren Bienenvölkern, die auf dem 18-Loch-Golfplatz heimisch waren, in einer Nacht und Nebelaktion gestohlen hatten. Das BR-Kamerateam wird bis Oktober noch mehrmals zu Gast in Westerhart sein. Es dreht einen Beitrag für die ARD-Themenwoche „Artenvielfalt“, der im November ausgestrahlt werden soll. Ob der Schleiereulennistkasten, die Insektenhotels und die anderen „Wohnungen“ für verschiedene Vogelarten, die auf dem weitläufigen Clubgelände aufgehängt wurden, im Beitrag gezeigt werden, bleibt abzuwarten.
Golf und Natur, wie passt das zusammen? „Sehr gut“, sagt Christian Montén, Manager des Golfclubs Memmingen Gut Westerhart. Das große Engagement der Golfclubs in Sachen Natur verdiene mehr Aufmerksamkeit, sagt Montén. „Schließlich arbeiten Naturschützer und Golfplatzbetreiber Hand in Hand und nutzen das große Potential, das Golfplätze für den Artenschutz bieten. Biodiversität auf Golfanlagen hat großes Potential.“ Wer sich davon überzeugen wolle, sei willkommen. „Anruf genügt“, sagt der Clubmanager.
Betrachtet man alte Fotos von Gut Westerhart, so sieht man, warum die Betreiber und Mitglieder des Golfclubs so stolz auf ihren Platz sind. Wo einst Mais angebaut und Ackerbau betrieben wurde, kein Baum Schatten spendete, keine Blume stand, grünt und blüht es heute. Am Rande der 18 Spielbahnen ist ein reizvolles Mosaik aus Blumen, Büschen, Sträuchern, Magerwiesen und kleinen Wäldchen entstanden.
Bartnelken, Margariten, Lupinen¸ Glockenblumen, gelber Horn- und roter Klee, Stauden sowie Gräser bilden von Frühjahr bis Herbst ein buntes, artenreiches Blumenmeer. Da nur noch wenig gemäht wird, summt und schwirrt es mächtig. Versteckt, irgendwo auf einer Magerwiese, hat sich Knabenkraut, eine Orchideenart, angesiedelt. „Fast alle Arten des Knabenkrauts stehen auf der Roten Liste und sind teilweise im Bestand stark gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht“, sagt Ehrenpräsident Hermann Kutter, der mit seiner Firma am Bau mehrerer Golfplätze im Allgäu beteiligt war.
Gesäumt wird diese Blütenpracht von unzähligen wertvollen, heimischen Landschaftsgehölzen wie Ahorn, Eichen, Linden, Ebereschen und Hainbuchen. Außerdem stehen zahlreiche Apfel-, Birnen- und Zwetschgenbäume auf dem knapp 75 Hektar großen Areal des Golfplatzes. Darunter auch Obstbäume, die es nur noch selten gibt. In einem Baum nistet ein Pärchen „Rotmilane. In den Teichen blühen Seerosen, ziehen Karpfen ihre Bahnen und abends laden Frösche zum Quak-Konzert ein.
„Ein wichtiges Element unserer Arbeit ist die Pflege von Biotopen und der Erhalt von Lebensräumen für Bienen und andere Nutztiere“, sagt Kutter „Die Befürchtung vieler damaliger Naturschützer, der Golfplatz Memmingen könnte eine ,grün angestrichene Betondecke‘ werden, hat sich nicht erfüllt“, sagt der Ehrenpräsident des Golfclubs. „Bei uns herrscht vielfältiges Leben. Wir schätzen und schützen die Natur, denn ohne sie macht ein Golfplatz keinen Sinn.“
Übrigens: In Deutschland gibt es noch über 550 Wildbienenarten. Der Biologe mit dem roten Bart hat offensichtlich noch viel Arbeit vor sich.
Jürgen Rasemann
Gut zu wissen
Rund 40 Prozent eines Golfplatzes werden als Spielfläche benutzt, der Rest steht der Natur zur Verfügung. Viel Platz also für die über 550 Wildbienenarten, die es in Deutschland gibt. Anders als die Honigbienen leben die meisten Wildbienen nicht in größeren sozialen Einheiten, sondern als Einzelgänger. Sie werden deswegen auch als Solitär- oder Einsiedlerbienen bezeichnet.
Über 50 Prozent der deutschen Wildbienenarten stehen auf der Roten Liste gefährdeter Arten, 26 sind als „extrem selten“ eingestuft. Sieben Prozent der deutschen Wildbienenarten sind wahrscheinlich bereits ausgestorben.
Die Rostrote Mauerbiene war das „Insekt des Jahres 2019“. Rund 40.000 Blüten besucht und bestäubt eine einzige Mauerbiene bei der Nahrungssuche für die Nachkommen.
Wildbienen heißen unter anderem Schneckenbiene, Sandbiene, Mörtelbiene oder Seidenbiene.
Bienen merken sich die Flugroute zwischen Stock oder Nest und Blütenfeld. Sie orientieren sich dabei an Bäumen, Bächen und anderen Landschaftsmerkmalen.
Warum sind Wildbienen bedroht? Das Problem der Wildbienen ist ihre große Abhängigkeit vom Nahrungs- und Nistplatzangebot sowie ihre sehr geringe Fortpflanzungsrate. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Landschaft in weiten Teilen Deutschlands sehr stark verändert.
Am 20. Mai 2021 ist wieder Weltbienentag.